Quantengravimetrie (SFB 1464, A01)
Leitung: | Dr. Waldemar Herr, Prof. Dr.-Ing. Jürgen Müller, Prof. Dr. Ernst Rasel |
Team: | Nina Heine, Marat Musakaev |
Jahr: | 2021 |
Förderung: | DFG |
Im Rahmen von TerraQ soll die auf der Atomchip-Technologie basierende Quantengravimetrie mit Bose-Einstein-Kondensaten (BECs) etabliert und ihr Potenzial für die mobile Gravimetrie erforscht werden. Mit dem in Laufe des SFB stetig häufigeren Einsatz des Quantengravimeters QG-1 und ansteigender Leistungsfähigkeit sollen im Rahmen von Messreihen der Teilprojekte C01, A05 und C05 die praktische Anwendbarkeit der zugehörigen Methoden nachgewiesen und der Betrieb von QG-1 unter variierenden, rauen Bedingungen demonstriert werden.
Darüber hinaus soll in der Zusammenarbeit mit den anderen Teilprojekten das Potential der Interferometrie mit Bose-Einstein-Kondensaten für geodätische Messungen ausgelotet werden. Dazu werden neuartige Messstrategien erarbeitet, welche bisher unerreichte Genauigkeiten im niedrigen nm/s²-Bereich erwarten lassen. Diese Messungen werden zu unabhängigen Referenz- oder Ankerpunkten für Schwerkraftänderungen führen. Solche Ankerpunkte für die Teilprojekte C01 und C05 werden eine Reduzierung der Langzeitdrift gegenüber heute verwendeten Messgeräten ermöglichen. Diese Driftkorrekturen können genutzt werden, um genauer zu bestimmen, welche Massentransportphänomene zu Schwerkraftänderungen führen.
Neben den Messkampagnen soll das QG-1 überarbeitet werden, um benutzerfreundlicher, schneller in der Datenerfassung und genauer zu werden. Die ersten Messreihen werden mit einer anfänglichen Instabilität von <10 nm/s² nach 104 s Integrationszeit und einer vorläufigen Genauigkeit von <30 nm/s² demonstriert. Diese Leistung wäre bereits auf Augenhöhe mit anderen eingesetzten Geräten und ausreichend für Messkampagnen innerhalb von C01 und C05. Danach ist geplant, die Single-Shot-Empfindlichkeit des QG-1 auf <50 nm/s² zu erhöhen, indem das Messprotokoll auf die volle Basislinie von 2T = 200 ms erweitert und der Kontrast der interferometrischen Messung auf >95% gesteigert wird, indem Pulsformungstechniken verwendet werden.
Gravimetrie mit geringer Unsicherheit und Langzeitstabilität eröffnet neue Forschungsfelder. Das transportable Quantengravimeter QG-1 zielt darauf ab, heutige Einschränkungen zu überwinden, indem es Atominterferometrie mit delta-kick kollimierten BECs durchführt. So soll die lokale Gravitationsbeschleunigung bei geodätischen Messreihen mit einer Unsicherheit von weniger als 3 nm/s² ermittelt und damit der Stand der Technik klassischer und derzeitiger quantenbasierter Systeme übertroffen werden.
Um diese Single-Shot-Empfindlichkeit erreichen zu können, müssen störende Vibrationen ausreichend unterdrückt werden. Typischerweise wird zu diesem Zweck eine sperrige, schwer zu justierende, passive oder sogar aktive Schwingungsisolationsplattform verwendet. Im Rahmen von TerraQ sollen stattdessen Konzepte zur Sensorfusion implementiert werden, um das Vibrationsrauschen in der Umgebung durch Korrelationsmessungen mit Bewegungssensoren zu unterdrücken. Ziel ist, eine Instabilität von <10 nm/s² nach nur 100 s Integrationszeit, umsomit einen erleichterten Betrieb des QG-1 zu erreichen.
In der ersten Förderperiode von TerraQ sollen Effekte, die zu einer Verzerrung des gemessenen Schwerewertes führen, untersucht werden, um ein erstes Unsicherheitsbudget für das QG-1 zu erstellen. Um die angestrebte Ungenauigkeit von <30 nm/s² zu erreichen, müssen vor allem die absolute Referenzlichtfrequenz, die Eigengravitation des QG-1, das Magnetfeldkontrolle, das vertikale Ausrichtungsverfahren und insbesondere die durch den Bragg-Prozess induzierten Verschiebungen bewertet werden. Letzteres ist ein bisher unerforschtes Gebiet.
Um tiefer in den nm/s² -Bereich vorzudringen, sollen die beiden derzeit wichtigsten limitierenden Effekte für Atominterferometer intensiv untersucht werden. Beide Effekte rühren von der unzureichenden Kontrolle der äußeren Freiheitsgrade der Atomensembles her: der Bewegung des Massenschwerpunkts und der Expansionsrate. Beides soll mit Hilfe des Atomchip-Ansatzes und der Magnetlinsentechnik reduziert werden. Auf diese Weise soll eine Genauigkeit von unter 5 nm/s² erreicht werden. In diesem Regime der Genauigkeit werden andere Effekte limitierend. Zum einen wird die verbleibende interne Wechselwirkungsenergie des expandierten, aber immer noch kompakten BEC und zum anderen die zusätzliche Beschleunigung des Atomensembles durch das Hintergrundfeld der Schwarzkörperstrahlung zu einer Verzerrung der Messung führen. Eine Untersuchung dieser beiden neuartigen Effekte für die Quantengravimetrie ist für das vierte Jahr von TerraQ geplant.